Ein Rückblick auf die Summer School 2019 des Hochschulforums Digitalisierung
An einem schwül-heißen Montag Ende Juli treffen am Rande Berlins – Brandenburg ist nur einen buchstäblichen Steinwurf über den See entfernt – nach und nach Angehörige von Hochschulen aus nahezu allen Teilen Deutschlands ein. Nach der etwas beschwerlichen Anreise, zu der für manche*n ein Sprint zur Bushaltestelle gehörte, stellt die Akademie Schmöckwitz eine regelrechte Oase dar – oder zumindest einen Ort mit einer wahrlich heiß ersehnten Dusche.
Erfrischt und vom Mittagsbuffet gestärkt finden sich die Teilnehmenden zur Eröffnung der Veranstaltung ein. Bereits die ersten Folien und Begrüßungsworte von Moderator Christian Friedrich charakterisieren den Ton für die folgenden knapp drei Tage: professionell und dennoch entspannt-vertraut. Auch die Kürze der Grußworte von Daniela Delvos und Martin Rademacher macht klar: Hier wird es nicht darum gehen, passiv Vorträge aufzunehmen, sondern um uns Teilnehmende und darum, uns einen „safe space“ zu geben, in dem wir uns kennenlernen und austauschen können – und wenn es gut läuft, gemeinsam mit Ideen herumspielen und sie weiterentwickeln können.
Entsprechend viel Zeit lässt das Programm dafür, einander kennenzulernen. Schon bei den Vorbereitungstreffen per Videokonferenz einigten sich alle auf das „Workshop-Du“ (von dem nach der Summer School wohl niemand zu einem „Arbeitsalltags-Sie“ zurück wechselte), und nun helfen verschiedene Kennenlern-Formate über weitere Berührungsängste hinweg. An den Wänden des Seminarraums hängen zur Orientierung die Steckbriefe der Teilnehmenden, mit denen wir uns bereits im Vorfeld vertraut machen konnten, sodass sich nun diejenigen mit ähnlichen Interessen und Aufgaben schnell finden können.
Ringelpiez ohne Anfassen
Kein*e einzige*r der Teilnehmenden macht zu irgendeinem Zeitpunkt der Kennenlern-Spiele, die mit einer Prise Spott auch „Ringelpiez ohne Anfassen“ genannt werden könnten, den Anschein, dass ihr oder ihm das Ganze peinlich oder unangenehm ist. Alle sind ehrlich getrieben von dem Willen, für die anderen offen zu sein und aufeinander zuzugehen. In diesem Geiste beginnt nach dem Kennenlernen das Format, das das Herzstück der Summer School bildet: die kollegiale Beratung.
Die Viererteams, die in den nächsten Tagen gut vier Stunden damit verbringen werden, sich gegenseitig in verschiedenen Rollenkonstellationen zu Fragestellungen aus ihrem Arbeitsalltag zu beraten, werden tatsächlich ausgelost. Unter anderen Umständen hätte diese Tatsache bei mir, wie wahrscheinlich auch bei anderen Teilnehmenden, milde Panik ausgelöst. In dieser Atmosphäre bin ich mir jedoch sicher, dass ich in einem Team mit tollen Menschen landen werde, egal, wer mir zugelost wird. Und es war wirklich ein tolles Team.
Mehr Service, bitte
Wie wohl die meisten Teams verbrachten wir den Großteil unserer Beratungszeit draußen am See. Die Örtlichkeit bot insgesamt zahlreiche unterschiedliche Sitzmöglichkeiten, um den Austausch in allen möglichen Gruppengrößen zu ermöglichen, ohne sich in die Quere zu kommen. Allerdings ließ die Technik, besonders im großen Seminarraum, erstaunlich viel zu wünschen übrig. Auch das Wort Servicementalität hätte so manche*r Mitarbeiter*in größer schreiben können.
Mehr Barcamp, bitte
In einem Programm, das von ungewöhnlichen Formaten geprägt war, wirkten die Workshops fast konservativ, obwohl auch sie größtenteils viel Wert auf das Mitmachen legten. Das einzige Frontalformat, die Lightning Talks, setzten alle Vortragenden so inspiriert und kreativ um, das es keinen Moment zur Berieselung geriet. Als Barcamp-Liebhaberin freute es mich besonders, dass auch dieses Format gut ankam und in guter Barcamp-Tradition mehr Sessions entstanden, als man besuchen konnte. Für eine zukünftige Summer School könnte ich persönlich womöglich zugunsten von mehr Zeit für Barcamp-Sessions auf traditionelle Workshops verzichten. In einem intensiven und stark durchgetakteten Programm habe ich mich zudem gefragt, ob wir unbedingt auch beim Mittagessen noch Thementische organisieren mussten. Gewiss hätten wir auch ohne Vorgabe die passenden Menschen gefunden, um mit ihnen über die Themen zu reden, die uns am Herzen liegen.
Ich weiß nicht, woran es lag – ob das Kernteam (Markus Deimann, Karoline von Köckritz und Malte Persike) ein geradezu unheimliches Händchen darin hatte, Teilnehmende auszuwählen, die miteinander harmonieren würden; oder ob es der unaufgeregte, lockere und amüsante Moderationsstil von Christian Friedrich war; oder die unaufdringliche und dennoch ständig hilfsbereite Präsenz des Organisationsteams um Daniela Delvos. Wahrscheinlich trugen alle diese Faktoren dazu bei, dass eine Atmosphäre der Offenheit und des Austauschs unter Gleichgesinnten entstand, wie ich sie so noch nie erlebt hatte.
Überzeugungstäter*innen
Ich kann mir jedoch schwer vorstellen, dass 30 Manager*innen, die sich vorher größtenteils noch nie gesehen haben, in einer derart entspannten, offenen und wohlwollenden Art und Weise aufeinander zugegangen und miteinander umgegangen wären. Nicht etwa, weil Manager*innen schlechtere Menschen wären, sondern weil es wenig Berufsgruppen gibt, in denen bei ähnlichen Arbeitsbedingungen so viele Menschen aus Überzeugung arbeiten. Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen auf befristeten Stellen in Unterstützungseinheiten und Didaktikzentren verbringen bestimmt nicht deshalb so viel Lebenszeit damit, ihre nächste befristete Stelle zu finden, weil sie Angst haben, sich auf eine Stadt und eine Position festzulegen. Es ist etwas, das sie in Kauf nehmen, weil sie ihre Arbeit gerne tun und weil sie hoffen, dass sie mit ihr die Zukunft junger Menschen ein klein wenig mitgestalten können. Und auch wenn Zeitersparnis eines der schlagkräftigen Verkaufsargumente für viele E‑Learning-Formate ist – die Lehrenden, die sich ernsthaft digitalen Lehr-/Lernformaten widmen, investieren oft viel Freizeit: ganz einfach, weil sie ihre Lehre verbessern wollen.
„Never miss the social events“, lernte ich während des Studiums von meinem Skandinavistik-Professor, und bedauere es seitdem, wenn Konferenzen zu wenig Zeit für den kollegialen Austausch zwischen Seminaren und Vorträgen bieten. Das Format der Summer School dreht den üblichen Zeitplan um und ist letzten Endes so etwas wie eine einzige organisierte kollegiale Kaffeepause. Ich empfinde es als Privileg, Teil davon gewesen zu sein und hoffe, dass noch viele Lehrende und Mitarbeiter*innen in Unterstützungseinheiten dieses Privileg genießen dürfen.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog des Hochschulforums Digitalisierung.
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